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Was passiert bei einem Notruf oder warum auf einmal alle Hunde müssen

Was passiert bei einem Notruf oder warum auf einmal alle Hunde müssen

(gm) Nicht jeder hat es schon einmal selbst erlebt, aber irgendwie ist klar: Wenn es brennt und man die Feuerwehr ruft, ist sie in der Regel wenige Minuten nach dem Anruf da. Das ist eine Selbstverständlichkeit und alles läuft automatisch ab. Aber wer ist an einer Alarmierung beteiligt? Wie genau läuft das ab und was passiert im Hintergrund, damit alles reibungslos funktioniert? Ein fiktives Beispiel.

Nehmen wir einmal an, dass Herr Müller aus Nieder-Erlenbach an einem Samstagabend in seinem Garten sitzt, als er auf einmal ein durchdringendes Piepsen hört. Er sucht die Ursache des Lärms und bemerkt dabei dichten Rauch, der aus einem gekippten Fenster des Nachbarhauses nach außen dringt. Es ist 18:04:05 Uhr. Sofort geht Herr Müller zu seinem Telefon und wählt die europaweit gültige Notrufnummer 112.

Es meldet sich allerdings nicht die Leitstelle Frankfurt, in deren Zuständigkeitsbereich Nieder-Erlenbach fällt, sondern die Leitstelle Wetterau in Friedberg. Der Grund dafür ist, dass das Nieder-Erlenbacher Telefonnetz zu Bad Vilbel gehört, erkennbar an der Vorwahl 06101, und Bad Vilbel liegt im Zuständigkeitsbereich der Leitstelle Wetterau. Übrigens lässt sich das Telefonnetz nicht überlisten, indem man die Frankfurter Vorwahl 069 vor der Notrufnummer 112 wählt. Hätte Herr Müller die 112 über sein Mobiltelefon gewählt, wäre er je nach Standort des Funkmasts, an dem sein Gerät eingebucht ist, entweder bei der Leitstelle Frankfurt, bei der Leitstelle Wetterau oder bei der Leitstelle Hochtaunus gelandet.

Aber der hilfesuchende Herr Müller telefoniert über ein Festnetztelefon und hat somit einen Disponenten der Leitstelle Wetterau als Ansprechpartner. Ein Notruf aus Nieder-Erlenbach wird dann entweder komplett von diesem aufgenommen und anschließend an die Leitstelle Frankfurt weitergeleitet oder der Anrufer wird zur Leitstelle nach Frankfurt weiterverbunden. Da Herr Müller die Problematik mit den Vorwahlen kennt, sagt er gleich, dass er aus Nieder-Erlenbach anruft und er wird direkt zur Leitstelle nach Frankfurt verbunden. Nachdem Herr Müller die Adresse genannt und geschildert hat, dass aus einem Fenster des Nachbarhauses dichter Qualm dringt und er nicht sagen kann, ob sich die Nachbarn, die er noch vorher im Garten gesehen hatte, im Haus befinden, wird der Einsatz im Leitstellenrechner erfasst. Es ist jetzt 18:05:15 Uhr.

Aufgrund der Angaben entscheidet sich der Disponent für das Einsatzstichwort FWOHN. „F“ steht für „Feuer“, „WOHN“ bezeichnet eine Wohnung als Brandort. Zu jedem Einsatzstichwort ist im Einsatzleitrechner hinterlegt, welche und wieviele Einheiten alarmiert werden. Aus den Informationen, wo sich die Einsatzstelle befindet und welche Einsatzmittel nach dem gegebenen Einsatzstichwort alarmiert werden müssen, ermittelt der Rechner einen Vorschlag, welche Einheiten von welchen Wachen zu alarmieren sind. Dabei berücksichtigt der Computer auch die aktuelle Verfügbarkeit: Einsatzmittel, die geografisch zwar zuständig wären, sich aber bereits im Einsatz befinden, werden nicht vorgeschlagen, dafür das nächstgelegene freie Einsatzmittel.

Bei dem Einsatzstichwort FWOHN werden folgende Einsatzmittel alarmiert:

1 B-Dienst (Einsatzleiter mit Einsatzleitfahrzeug, ELW)
1 C-Dienst (Zugführer mit Kommandowagen, KdoW)
2 Hilfeleistungslöschfahrzeuge (HLF)
1 Drehleiter (DLK)
1 Rettungswagen (RTW)
1 Freiwillige Feuerwehr

In Frankfurt gibt es insgesamt 12 Feuer- und Rettungswachen der Berufsfeuerwehr. Die Standorte der Wachen sind so über das gesamte Stadtgebiet verteilt, dass die durch das HBKG (Hessisches Brand- und Katastrophenschutzgesetz) vorgegebene Hilfsfrist von 10 Minuten eingehalten und innerhalb dieser Zeit jeder Punkt in Frankfurt von einem Einsatzmittel erreicht und die qualifizierte Hilfe begonnen werden kann. Zusätzlich gibt es 28 Freiwillige Feuerwehren, die zwischen 18 Uhr und 6 Uhr an Werktagen sowie durchgängig an Wochenenden und Feiertagen alarmiert werden. Bei größeren Lagen, wie z.B. Unwettern, werden Freiwillige Feuerwehren aber auch außerhalb dieser Zeiten alarmiert.

Zurück zum Einsatz: Der Einsatzleitrechner schlägt dem Disponenten die Alarmierung folgender Einsatzmittel vor:

Der Disponent akzeptiert den Vorschlag und setzt damit eine Vielzahl von Aktionen in Gang:

In den Feuer- und Rettungswachen in Nieder-Eschbach und in Eckenheim ertönen die Funkmeldeempfänger. Eine Computerstimme informiert die Feuerwehrleute über den Einsatz und welche Einsatzmittel ausrücken werden. Zusätzlich werden die Einsatzdaten auf einem Alarmdrucker ausgedruckt. Der Ausdruck enthält die durch den Anrufer mitgeteilten Informationen, die Adresse, das Einsatzstichwort, das Einsatzmittelaufgebot, die Rufnummer des Meldenden sowie ggf. weitere Hinweise zum Objekt (Photovoltaikanlage, Gefahrstoffe, etc.), sofern bekannt.

Parallel dazu werden die Funkmeldeempfänger der Feuerwehrleute der Freiwilligen Feuerwehr ausgelöst, sowie zusätzlich eine Alarm-SMS verschickt. Auch im Feuerwehrhaus der Freiwilligen Feuerwehr werden die Einsatzdaten auf einem Alarmdrucker ausgegeben. Eine Alarmierung der Freiwilligen Feuerwehren über Sirene gibt es in Frankfurt nicht mehr. Es ist jetzt 18:05:57 Uhr.

Jetzt kommt Bewegung in die Sache: Die Berufsfeuerwehrleute, die Ausbildung oder Dienstsport gemacht, Fahrzeuge oder Einsatzmaterial gepflegt oder sich gerade zum Abendessen zusammengefunden hatten, begeben sich sofort zu ihren Fahrzeugen, in den meisten Feuer- und Rettungswachen mittels der obligatorischen Rutschstange. Dort ziehen sie die Feuerschutzkleidung an und besteigen die Fahrzeuge.

In Nieder-Erlenbach sind zeitgleich die Mitglieder der Einsatzabteilung zu Hause, im Garten, beim Essen oder Fernsehen, andere sind im Ort unterwegs oder im Supermarkt einkaufen, als der Funkmelder auslöst mit der Durchsage „Einsatz für die Freiwillige Feuerwehr Nieder-Erlenbach, stellen Sie Einsatzbereitschaft her, Feuermeldung!“. Parallel dazu trifft eine SMS auf dem Mobiltelefon ein. Auch hier lässt jetzt jeder alles stehen und liegen und macht sich umgehend auf den Weg zum Feuerwehrhaus in der Kurmarkstraße, zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto.

18:06: 37 Uhr: Die ersten Fahrzeuge der Berufsfeuerwehr rücken aus. Auf der Fahrt legen die Angriffstrupps der beiden HLFs ihre Flammschutzhauben und Atemschutzmasken an und rüsten sich mit dem Atemschutzgerät aus. Die ersten Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr treffen im Feuerwehrhaus ein und ziehen sich um.

18:08:46 Uhr: Knapp drei Minuten nach Alarmierung rückt das erste Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr, das LF 10-6, besetzt mit 6 Einsatzkräften aus. Zeitgleich erreichen das HLF 10 und der Rettungswagen aus Nieder-Eschbach den Ortseingang von Nieder-Erlenbach.

18:10:15 Uhr: Das zweite Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr rückt aus, mittlerweile waren weitere Feuerwehrleute eingetroffen. Die ersten drei Fahrzeuge treffen am Einsatzort ein, wo Herr Müller auf der Straße steht und sie einweist. Die Führungskräfte erkunden die Einsatzstelle, während die Einsatzkräfte von Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr einen Löschangriff vorbereiten. Der Angriffstrupp macht sich bereit, in das Anwesen einzudringen.

18:13:27 Uhr: Die Fahrzeuge der BLW 1 sowie ein Streifenwagen der Polizei treffen ein. Die Tür zum Haus wurde geöffnet. Mittlerweile ist klar, dass sich die Bewohner nicht im Anwesen befinden. Als Ursache der starken Verrauchung ist ein Braten im Backofen, der nun starke Ähnlichkeit mit einem großen Brikett hat, identifiziert worden. Der Angriffstrupp entnimmt den Braten und löscht ihn unter der Hauswasserleitung ab. Ein Brand ist noch nicht entstanden. Der Einsatzleiter gibt diese Informationen als Lagemeldung an die Leitstelle durch.

18:17:01 Uhr: Die Feuerwehr beginnt mit Belüftungsmaßnahmen, um den Rauch aus dem Haus zu entfernen. Die Besitzer des Hauses kehren zurück. Wie sich herausstellt, haben sie beim Einkaufen einen alten Bekannten getroffen und darüber ganz den Braten im Backofen vergessen. Nachdem der erste Schreck vorüber ist, sind sie froh, dass sie Rauchmelder hatten, ihr Nachbar aufgepasst hat, die Feuerwehr frühzeitig alarmiert wurde und sie mit einem blauen Auge davongekommen sind. Nur der Braten ist definitiv verloren.

Zeitgleich:

Angesichts der 10 Fahrzeuge, die in den letzten Minuten mit Blaulicht und Martinshorn durch Nieder-Erlenbach gefahren sind, fällt vielen Hundebesitzern auf, dass ihr bester Freund dringend Bewegung braucht oder ganz bestimmt mal ganz dringend muss. Viele Nieder-Erlenbacher verspüren den plötzlichen Wunsch, einen Spaziergang zu machen. Die Einsatzstelle füllt sich.